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Wissenschaft & Grenzen der Dentosophie – Was die Forschung zur funktionellen Therapie sagt

Die Dentosophie ist mehr als ein ganzheitliches Therapiekonzept: Sie ist ein funktionell fundierter Ansatz, der am Dreiklang aus Atmen-Schlucken-Kauen ansetzt. Diese drei Grundfunktionen beeinflussen sich gegenseitig und wirken weit über den Mundraum hinaus auf den gesamten Körper.
Aber was sagt eigentlich die Wissenschaft zu diesen Zusammenhängen? Lassen sich die Erfolge, die wir in der Praxis sehen, auch mit evidenzbasierten Studien belegen?

Fünf Studien, die den dentosophischen Ansatz unterstützen

1. Mundatmung und Kieferentwicklung (Yang et al., 2012)

Was wurde untersucht?
Die Forscher verglichen die kraniofaziale Morphologie von 34 Kindern mit Mundatmung mit 34 Kindern mit Nasenatmung im Alter von 11-14 Jahren.

Ergebnisse:

  • Die Mundatmung führte zu einem vertikalen Wachstumsmuster
  • Der Unterkiefer von Mundatmern war signifikant kürzer
  • Mundatmer hatten einen größeren Gonion-Winkel (P < 0.01)
  • Die Kinnpartie war retrusiv (zurückliegend)

Quelle: Yang K, Zeng X, Yu M. A study on the difference of craniofacial morphology between oral and nasal breathing children. PMID: 12425857


Relevanz für die Dentosophie:

Diese Erkenntnisse bestätigen, dass Mundatmung direkten Einfluss auf die Kieferentwicklung hat – genau hier setzt der Balancer an, indem er die Nasenatmung fördert und dadurch die physiologische Kieferentwicklung unterstützt.

2. Mundatmung und oraler pH-Wert (Choi et al., 2016)

Was wurde untersucht?
Zehn gesunde Probanden wurden im Schlaf untersucht, wobei der intraorale pH-Wert während normaler Atmung und während forcierter Mundatmung gemessen wurde.

Ergebnisse:

  • Der pH-Wert im Mund sank bei Mundatmung auf durchschnittlich 6.6 (±0.5)
  • Bei Nasenatmung lag der pH-Wert dagegen bei 7.0 (±0.5)
  • Der Unterschied war statistisch signifikant (P < 0.01)
  • Ein niedrigerer pH-Wert erhöht das Risiko für Zahnkaries und Zahnerosion

Quelle: Choi JE, Waddell JN, Lyons KM, Kieser JA. Intraoral pH and temperature during sleep with and without mouth breathing. J Oral Rehabil. 2016. PMID: 26666708


Relevanz für die Dentosophie:

Diese Studie zeigt, wie Mundatmung direkt das Mundmilieu verändert und das Kariesrisiko erhöht – ein weiterer Grund, warum die Etablierung der Nasenatmung so wichtig ist.

3. Mundatmung als Risikofaktor für Asthma (Izuhara et al., 2016)

Was wurde untersucht?
Eine große Kohortenstudie mit 9804 Teilnehmern (Nagahama-Studie) untersuchte den Zusammenhang zwischen Mundatmung und Asthma.

Ergebnisse:

  • 17% der Bevölkerung atmeten durch den Mund
  • Mundatmung verdoppelte das Risiko für Asthma (Odds Ratio 1.85)
  • Bei gleichzeitiger allergischer Rhinitis stieg das Risiko auf das 4-fache
  • Mundatmung führte auch bei Nicht-Asthmatikern zu erhöhten Entzündungswerten

Quelle: Izuhara Y et al. Mouth breathing, another risk factor for asthma: the Nagahama Study. Allergy. 2016. PMID: 26991116


Relevanz für die Dentosophie:

Diese Ergebnisse unterstreichen die systemischen Auswirkungen der Atmungsfunktion und zeigen, dass die dentosophische Arbeit weit über zahnmedizinische Aspekte hinausreicht.

4. Einseitiges Kauen und Kiefergelenkveränderungen (Liu et al., 2021)

Was wurde untersucht?
In einem experimentellen Ansatz wurden die Auswirkungen einseitigen Kauens auf das Kiefergelenk bei Ratten untersucht.

Ergebnisse:

  • Langfristiges einseitiges Kauen führte zu degenerativen Veränderungen im Kiefergelenk
  • Auf der Kauseite zeigte sich eine Knorpeldegradation
  • Der subchondrale Knochen wies verminderte Mineraldichte auf
  • Die Knorpelschicht wurde dünner

Quelle: Liu Z et al. Changes of the condylar cartilage and subchondral bone in the temporomandibular joints of rats under unilateral mastication. J Stomatol Oral Maxillofac Surg. 2022. PMID: 34601167


Relevanz für die Dentosophie:

Diese Studie bestätigt die klinische Beobachtung, dass einseitiges Kauen zu ungleichmäßiger Belastung und strukturellen Veränderungen führt – ein zentraler Aspekt, den wir im dentosophischen Training adressieren.

5. Elastische Geräte und Gaumenentwicklung (Pachi et al., 2019)

Was wurde untersucht?
Die Wirkung elastischer Geräte (ähnlich dem Balancer) auf die Entwicklung des Zahnbogens bei wachsenden Patienten.

Ergebnisse:

  • Elastische Geräte führten zu transversaler Erweiterung des Zahnbogens
  • Die Wirkung zeigte sich besonders im Bereich der Eckzähne
  • Nach einer Frühbehandlung mit elastischen Geräten war bei keinem Patienten eine zweite Behandlungsphase notwendig
  • Die Behandlung war besonders effektiv bei Klasse-II-Fehlbissen

Quelle: Pachi F, Turla L, Franzin L et al. Changes in the arch shape in patients treated with elastodontic devices. European Journal of Musculoskeletal Diseases, 2019.


Relevanz für die Dentosophie:

Diese Ergebnisse unterstützen den Einsatz des Balancers als elastisches Gerät, das nicht nur funktionelle Verbesserungen, sondern auch strukturelle Veränderungen bewirken kann.

Die Grenzen der Dentosophie – Wann braucht es mehr?

So wirkungsvoll der dentosophische Ansatz auch ist – es gibt Situationen, in denen er an Grenzen stößt oder durch andere Maßnahmen ergänzt werden sollte:

1. Schwerwiegende strukturelle Befunde

Bei stark ausgeprägten Kieferfehlstellungen (z.B. extremer Überbiss, Klasse-III-Anomalien mit deutlicher Mesialverzahnung) kann die Dentosophie allein oft nicht ausreichen. Hier ist eine Kombination mit klassischen kieferorthopädischen Maßnahmen sinnvoll.

2. Mangelnde Compliance

Da die Dentosophie eine aktive Mitarbeit des Patienten erfordert (regelmäßiges Tragen des Balancers, Durchführung der Übungen), kann eine fehlende Motivation den Therapieerfolg erheblich einschränken. Besonders bei sehr jungen Kindern oder unmotivierten Patienten kann dies problematisch sein.

3. Ausgeprägte funktionelle Einschränkungen

Bei starken Einschränkungen der Zungenmobilität (z.B. TRMR-Grad 4) kann vor der dentosophischen Therapie eine Frenuloplastik (Zungenband-OP) notwendig sein, um die Grundvoraussetzungen für den Erfolg zu schaffen.

4. Psychosoziale Faktoren

Bei Patienten mit starkem Bruxismus oder Pressen aufgrund von chronischem Stress kann die Dentosophie allein manchmal nicht ausreichen. Hier kann eine begleitende psychologische Unterstützung wichtig sein.

Wie du entscheidest, ob die Dentosophie in deine Praxis passt

Die Entscheidung, dentosophische Methoden in deine Praxis zu integrieren, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  1. Dein Behandlungskonzept: Legst du Wert auf ganzheitliche, ursachenbezogene Therapie?
  2. Deine Patientenstruktur: Hast du viele Patienten mit funktionellen Störungen, CMD, Schlafstörungen oder Kindern mit Entwicklungsproblemen?
  3. Deine Praxisausrichtung: Möchtest du private Leistungen anbieten, die über die Standardversorgung hinausgehen?
  4. Dein Interesse an präventiven Ansätzen: Willst du nicht nur Symptome behandeln, sondern langfristig Gesundheit fördern?

Wenn du mehrere dieser Fragen mit „Ja“ beantwortest, könnte die Dentosophie eine wertvolle Ergänzung für deine Praxis sein.

Der nächste Schritt: Praktisches Screening-Tool

Um den dentosophischen Blick zu trainieren und potenzielle Patienten zu identifizieren, habe ich eine praktische Checkliste entwickelt, die du direkt in deinen Praxisalltag integrieren kannst.

👉 Falls du sie noch nicht hast: Sichere dir hier meine kostenlose Dentosophie-Checkliste:

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Mit diesem Tool kannst du in wenigen Minuten erkennen, welche deiner Patienten von einem dentosophischen Ansatz profitieren könnten.

Bis bald in der Welt der funktionellen Zahnmedizin!

Dr. Maren Koch